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+ Enteignung als Möglichkeit des Denkmalschutzes?

ENTEIGNUNG ALS MÖGLICHKEIT DES DENKMALSCHUTZES?

 

Das Land Thüringen ist im Begriff, den derzeitigen Eigentümer von Schloss Reinhardsbrunn wegen des anhaltenden Zerfalls zu enteignen. Es ist der erste Fall einer Enteignung in der Bundesrepublik Deutschland, die aus Gründen des Denkmalschutzes vollzogen wird. Der Enteignungsbeschluss wurde Anfang 2019 akzeptiert, eine gerichtliche Auseinandersetzung ist damit nicht weiter erforderlich. Aber hätte die Enteignung einer vollen gerichtlichen Überprüfung auch standhalten können?

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Schloss Reinhardsbrunn liegt bei Friedrichroda, einer Kleinstadt im Landkreis Gotha. Sein Hauptgebäude entstand im 19. Jahrhundert. 1945 enteignete die sowjetische Besatzungsmacht entschädigungslos das Haus Sachsen-Coburg und Gotha. Das Schloss wurde 1980 als »Denkmal von nationaler Bedeutung« in die Denkmalliste der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und nach der Wende im Jahr 1992 in das Thüringer Denkmalbuch eingetragen. In jenem Jahr verkaufte es die Treuhandanstalt an ein privates Unternehmen der Hotelbranche. Der Hotelbetrieb hatte bereits zu Zeiten der DDR begonnen und wurde im Jahr 2001 eingestellt.

 

Eine staatliche Enteignung greift stets in Grundrechte des Eigentümers ein. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) gewährleistet das Eigentum. Gemäß Art. 14 Abs. 3 GG ist eine Enteignung lediglich zum Wohle der Allgemeinheit und nur aufgrund eines Gesetzes zulässig, das die entsprechende Entschädigung regelt. Diese Vorstellung reicht in die Epoche des aufgeklärten Absolutismus des 18. Jahrhunderts zurück. In jener Zeit herrschte die Ansicht, dass der Einzelne so genannte wohlerworbene Rechte habe (iura quaesita – dazu zählte auch das Eigentum), in welche der jeweilige Landesherr lediglich aus Gründen des Allgemeinwohls (ius eminens) und nur gegen entsprechende Entschädigung eingreifen dürfe. Dieses üblicherweise als »Aufopferungsanspruch« bezeichnete Recht regelten die §§ 74, 75 der Einleitung des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten. Die Enteignung als definiertes Rechtsinstitut enthielten dann erstmals die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neuerlassenen Landesverfassungen. Wegen des zunehmenden Bedarfs an Grund und Boden für den Bau von Straßen sowie Eisenbahnschienen bestand die Enteignung in der voll entschädigungspflichtigen Übertragung von Grundeigentum auf ein dem öffentlichen Wohl dienenden Unternehmen.

 

Zu dem Thema Enteignung gelangten in der jüngeren deutschen Geschichte insbesondere eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. In den Neunzigerjahren entschied das BVerfG, dass die Regelung von Art. 143 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 41 Einigungsvertrag und seiner Anlage III mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Damit durften diejenigen Enteignungen, die vor Gründung der DDR von der sowjetischen Besatzungsmacht in den Nachkriegsjahren vollzogen worden waren, nicht rückgängig gemacht werden. Der EGMR bestätigte diese Rechtsprechung. Die Menschenrechtskonvention verpflichte einen Vertragsstaat nicht dazu, Unrecht einer fremden Besatzungsmacht oder eines anderen Staates, dessen Rechtsnachfolger er ist, wieder gut zu machen.

 

Zu dem aktuellen Fall berichtete die Frankfurter Rundschau bereits im August 2015, dass ein Weimarer Ingenieurbüro die Anlage 2004 für einen Betrag in Höhe von 100.000 Euro erwarb. Wenige Jahre später übernahmen russische Investoren das Unternehmen inklusive der Schlossanlage zu einem Kaufpreis in Höhe von 12 Millionen Euro. Es folgten weitere Inhaberwechsel. Zwischenzeitlich war das Unternehmen in Belize registriert mit Hamburger Anschrift ohne Briefkasten. Das Land Thüringen machte es für den anhaltenden Verfall von Schloss Reinhardsbrunn verantwortlich. Im August 2016 berichtete die Thüringer Allgemeine, dass die Landesregierung nunmehr per Beschluss die Enteignung anordnete. Die vorangegangenen Kaufverhandlungen waren gescheitert, nachdem der Eigentümer das Schloss dem Land für einen symbolischen Euro angeboten hatte und dabei von ihm verlangte, die im Grundbuch eingetragenen Belastungen in Höhe eines Betrages von über 9 Millionen Euro zu übernehmen. Laut der Thüringer Allgemeinen verteidigte der zuständige Staatskanzleiminister die Enteignung damit, dass der Eigentümer seinen denkmalschutzrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkomme. Das Land und der Kreis wandten in den vergangenen Jahren für erforderliche Notsicherungsmaßnahmen einen Betrag in Höhe von rund 60.000 Euro auf. Davon erstattete der Eigentümer nur etwa 33.000 Euro. Die Maßnahmen reichten aber nicht mehr aus, um den Verfall des Schlosses aufzuhalten. 

 

Nach der heutigen Rechtsprechung des BVerfG ist eine Enteignung die vollständige oder teilweise Entziehung vermögenswerter Rechtspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG durch einen gezielten hoheitlichen Akt zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben. Sie ist nur in den oben bereits genannten engen Grenzen des Art. 14 Abs. 3 GG möglich. 

Da es sich bei der Enteignung um einen besonders intensiven Eingriff in das Grundrecht des Art. 14 GG handelt, muss sie geradezu unverzichtbar sein. 

 

Bei Schloss Reinhardsbrunn erfolgt die Enteignung auf der Grundlage von § 27 Thüringer Denkmalschutzgesetz in Verbindung mit den Regelungen des Thüringer Enteignungsgesetzes. Das berechtigte Interesse der Allgemeinheit ist der Erhalt des Kulturgutes. Die Enteignung darf dabei allerdings nur das letzte in Frage kommende Mittel sein, um dieses Interesse durchzusetzen. Es dürfte also keine andere, weniger einschneidende Vorgehensweise in Betracht kommen. Eine solche ist klassischerweise die Übernahme des Kulturgutes im Rahmen eines Kaufvertrages. Die dahingehenden Verhandlungen scheiterten bereits. Was bleibt sind eine Instandsetzungsanordnung respektive eine Ersatzvornahme. Fraglich ist demnach, ob die zuständige Behörde nicht zur vollständigen Sanierung von Schloss Reinhardsbrunn hätte auffordern müssen, und, wäre die Anordnung erfolglos geblieben, sich selbst um die Sanierung hätte kümmern müssen. Die dabei entstehenden Kosten wären von dem Eigentümer zu erstatten gewesen. Dies war jedoch in der Vergangenheit bereits bei den vergleichsweise geringen Kosten für die notwendigen Sicherungsmaßnahmen teilweise erfolglos geblieben. Deshalb wäre es der Allgemeinheit eher nicht zuzumuten gewesen, die Sanierung fremden Eigentums vorzuschießen, ohne Gewissheit darüber zu haben, ob der seinerzeitige Eigentümer die Kosten jemals hätte erstatten können. Das finanzielle Risiko wäre in jedem Fall sehr hoch gewesen, da die Enteignung die im Grundbuch eingetragenen Belastungen umfasst, deren Gläubiger wohl auch zu entschädigen sein werden.

 

Eine Enteignung hätte demnach durchaus ausnahmsweise zulässig sein können. Dies ist allerdings stets im konkreten Einzelfall zu prüfen. Keinesfalls dürfen Enteignungen die Regel werden. Dies ist umso mehr zu betonen, da einige Stimmen in der Politik im Zusammenhang mit Wohnraum versuchen zu argumentieren, Enteignungen seien gang und gäbe. Dem ist nicht so.

 

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